Ihr bringt die Musik, ich die Rezension (4)

Hallo zusammen! Schön, dass ihr auch heute wieder vorbeischaut. In der heutigen Ausgabe lasse ich kein gutes Haar an Hexakosioihexekontahexa“ von Agonoize.

agonoize

O je, das habe ich nun davon, die Metalszene vor Jahren hinter mir gelassen zu haben! Nun sitze ich hier vor einem brandneuen Download, der Name “Agonoize” grollt mich an und meine verstauchte Zunge hängt mir schmerzend aus dem Mund, weil sie sich arglos am Albumtitel “Hexakosioihexekontahexa” versucht hat. Meine Ohren sind solchen Lärm doch gar nicht mehr gewöhnt, geradezu verweichlicht mittlerweile! Aber es hilft ja nichts. In geduckter Haltung starte ich den Winamp-Player, bereit mich darauf vor, dass mich donnernde Gitarren dem Erboden gleichmachen und werde – huch! – von fluffigen Synthesizer-Klängen überrascht. Im Genre geirrt, kann ja mal passieren.

Wie ich das Album ein wenig auf mich wirken lassen, bin ich fast ein bisschen enttäuscht, nun doch der befürchteten akustischen Abreibung zu entgehen. Dieser Elektro – ich habe extra das Genre nachgesehen – tut ja bloß so, als sei er aggressiv, ist in Wirklichkeit jedoch eher gemäßigt  und konventionell. Hier werden sicherlich Niemandes Ohren überfordert und nur wenige Seelen aufgewühlt. Klar, der Sänger klingt schon ganz schön BÖSE, wie er Tod und Verfall bekrächzt, aber eher in einem Jahrmarkt-, in einem Geisterbahn-Sinne. Der Krach, den der Titel verspricht, bleibt aus, aber gut – wenn man die Boxen nur weit genug aufdreht, kann man auch Lady Gaga als “Noize” bezeichnen. Der Agonie hingegen fühle ich mich tatsächlich nahe, bei der Aussicht, nun 90 Minuten von diesem Schmonz durchstehen zu müssen, denn es handelt sich bei “Hexakosi…blabla” auch noch um ein Doppelalbum.

Vorübergehend rufe ich mich dann doch zur Ordnung. Es könne ja schließlich sein, dass es nur meine Vorurteile und mein eingefahrener Musikgeschmack sind, die mir die Ohren vor der wahren Schönheit von Agonoize verschließen. Nähere ich mich also einmal von der anderen Seite und höre genauer hin, was hier denn so alles gleichförmig gekrächzt wird. “In diesem Club, da sah ich dich steh’n / und mir war klar: dich sauf’ ich mir heut’ auch noch schön. / Geballter Mix aus Wollust und Körpersaft. / Diese Idee erweckte meine Manneskraft.” Uff… Erinnerungen an den Ballermann rülpsen sangriageschwängert durch den Raum. Gut, dass der Sänger die Worte so undeutlich artikuliert, dass sich derlei lyrisches Ejakulat auch ohne weiteres ignorieren lassen.

Die erst unendlich erscheinende Spieldauer überstehe ich dann trotzdem ganz locker. Schließlich habe ich auch den Presslufthammer überlebt, der hier wochenlang durch die Straße gedröhnt hat. Ich twittere ein bisschen, surfe mal hierhin, mal dorthin und schon ist es vorbei. Zurück bleibt das gute Gefühl, dass mir meine Vergangenheit mit blutgetränktem Metal gar nicht peinlich zu sein braucht. Schund wie Agonoize hätte ich schließlich auch mit 16 schon doof gefunden.

6 Gedanken zu „Ihr bringt die Musik, ich die Rezension (4)

  1. susealiaspaul sagt:

    ich halt jetzt mal die klappe. ich kann ja jetzt hier nicht schon wieder deine schreibeskunst loben…

  2. Amartholion sagt:

    Musste beim Lesen doch ziemlich grinsen. Habe die Jungs auch schon Live erlebt und das Ejakulat beschränkt sich dabei nicht nur aufs lyrische… Wobei die Schauspielerei da eher nicht so gut war.

    • quengelexemplar sagt:

      Ja, ich habe gelesen, dass die Bühnenshows ziemlich *ähem* „spektakulär“ sein sollen…

      Danke für den netten Kommentar!

  3. […] Agonoize – Hexakosioihexekontahexa Agonoize kenne ich erst seit ein paar Monaten, aber mit ihrer Mischung aus Kreischgesang und Techno haben sie mich vollends überzeugt. Das Quengelexemplar wohl eher weniger. […]

  4. […] Agonoize – Hexakosioihexekontahexa Agonoize kenne ich erst seit ein paar Monaten, aber mit ihrer Mischung aus Kreischgesang und Techno haben sie mich vollends überzeugt. Das Quengelexemplar wohl eher weniger. […]

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